Pauls Premsspuren


kurze erläuterung:


auf anraten meiner engsten freunde habe ich mich jetzt endlich dazu aufgerafft hin und wieder ein paar tagebuch einträge zu schreiben, da die anzahl der kuriositäten die mir fast täglich begegnen ständig zu steigen scheint.
wenn ich schreibe ist es meistens schon spät....dann habe ich ganz kleine augen und kann daher auch nur ganz klein schreiben....
ich bitte daher höflichst um entschuldigung.

tag eins der aufzeichnungen

den üblichen wahnsinn des täglichen aufstehens brauche ich ja wahrscheinlich nicht zu schildern.

auch die ersten unterrichtsstunden in musikgeschichte hinterließen keine großen spuren (ausser die kleine karikatur oben rechts).

der wahnsinn begann mit meinem lieblingsdozenten, der mich schon seit längerer zeit zu seinen favoriten zählt. stolz präsentiert er uns seine feine selektion von denen mit der piemontkirsche und betont dass er etwas für uns mitgebracht habe (was jeder vernünftige mensch im falle, dass er mon cheri geschenkt bekommt auch machen würde).

so kam es wie es kommen musste, mein lieblingsdozent näherte sich mit den pralinen zum abgewöhnen unaufhaltsam, die gesichter meiner kollegen, die sich aufs höflichste bedankten konnten den schmerz nur wage verbergen. als die pracht endlich bei mir angekommen ist sehe ich nur einen ausweg.............."vielen dank, aber für mich bitte nicht!"

fataler fehler mit der folge, dass ich einen riesen anschiss kassiere, dass er schließlich nicht für jeden was anderes mitbringen könne und mir ja hier nicht bei "wünsch dir was" seien.

hätt ichs doch wie mein nachbar gemacht, der sein geschenk zusammen mit seinem spärlichen frühstück im zuge einer körperlichen reinigungsreaktion unter starken einfluss des restalkohols vom vortag einfach den sanitären anlagen überließ.

nicht nur dozenten können einen fertig machen....das ende einer harten arrangement stunde ist erreicht, die studenten strömen in die mittagspause, bloß der prem überlegt ober nicht gleich heim fährt........zu lange schon steht er in der schusslinie seines kollegen, der mit dem stoffinhalt so viel anfangen konnte wie ein gitarrist mit noten. er beginnt mir zu schildern dass es unfähr sei seine hausaufgabe als nicht ausgereift zu bezeichnen, er habe doch schließlich ewig dafür gebraucht. und ausserdem was soll der scheiss......wir hocken alle die ganze zeit drin, nicken, reden cool daher als wären wir alle schon die perfekten arrangeure, keiner stellt blöde fragen....und was fällt dem dozenten eigentlich ein??? er frägt uns?? was soll das?? normalerweise stellen wir hier die fragen!!! das ist doch kein miteinander!! mein kollege hat keinen bock den kurs nochmal machen zu müssen nur weil der dozent so schlecht ist und mit uns, die nicht zugeben wollen dass sie genauso wenig kapieren wie er, kein richtiger unterricht möglich ist.

.....usw. ich überlegte erst ob ich ihm sagen solle, dass es noch kein qualitätsmerkmal ist wie lange man für etwas braucht (auch wenn es leute gibt die mir ständig was von glückswurst erzählen) und das es für ihn vielleicht von vorteil gewesen wäre den kurs mehr als die letzen zwei mal zu besuchen aber die pause war vorbei, der dozent wieder da  und der kollege aus protest wieder heimgefahren....ich hatte immernoch hunger.

abgesehen davon, dass nach der stunde der ganze s-bahn verkehr lahmgelegt weil einer in seinen letzten sekunden nochmal was ganz grosses erreichen wollte und ich zum dritten mal in folge zu spät zu einem schüler kam war nicht mehr viel los drum beende ich diesen ersten glorreichen eintrag an dieser stelle. guten abend.


tag zwei der aufzeichnungen...


der tag kann beginnen, der kritische punkt (acht uhr weckerklingeln) ist überstanden, sonne scheint zwar nicht und der vorsatz heute um 7 uhr laufen zu gehen hat sich auch schon längst erledigt...........aber ich bin wie stets guter dinge...........bis......

ja es gibt sie diese leute die einem schon morgens den kompletten tag versauen können. man nennt sie in der nachbarschaft vorwiegend " de damischen", sie wohnen dummerweise direkt nebenan und verbringen die meiste zeit des tages im schutze ihrer gardinen, mit scharfem blick die umgebung ortend. genaugenommen ortet sie (um  die 60, blond, riesig, unendlich dick, immer rosa gekleidet,  die unweigerlich die assoziation eines überfütterten paarhufers hervorruft) und meldet lautstark die aktuellen geschehnisse umgehend ihm (adolf lebt!), der dann mit grundsätzlich dem opfer unverständlichen gebell die feststellungen bejaht.

fehler 1: das haus im blickfeld der gardinen verlassen
folge: "do schaug her! gmiatlich , gmiatlich! schaugn o wiara dahi schleicht! anständige leid arbadn wos!"
fehler 2: wie immer was vergessen zu haben und wenden zu müssen
olge: "an ganzn dog de scheissmusik! hat der koa abad??!! hat der nix zdoa?"
fehler 3: die zeit wird knapp, ein umweg ist nicht drin
folge: "aha, aha! do schaug scho wieda... an ganzn dog rumspaziern! koa arbad, bloß immer de kinder klimpern lassn und geid dafür valanga!!"
ja es gibt ihn...fehler 4: abends gut gelaunt heimkommen und dabei nicht an den alternativweg zu denken.
mit der folge: sie kommt dir mit enkel und fahrrad (das sie aufgrund physikalischer und konstrukteurstechnischer grenzen nur noch schiebt) entgegen:"do schaug her, des is a drommler! do glei drommelt a wieda! werst glei seng!"
zur Erklärung..."drommla" scheint für geräuscherzeuger allgemein zu stehen.

wie man sich vorstellen kann sind derartige tage von vornherein zum scheitern verurteilt, weshalb sich gleich in der s-bahn eine schon vor mir gescheiterte existenz neben mir postiert und anfängt mir aus 10 cm entfernung mit frischaufgesetzter bierfahne "all se lonli piepl" in die nüstern zu hauchen und mich fragt ob ich " de biedhls.....ealeanor hhhrikbyhh", ja ob ich die kenn halt? ich nutze die gelegenheit bei der nächsten haltestelle die s-bahn zu verlassen und lieber noch eine station zu fuss zu gehen. vorbei an dem mann der die ultimative indische spezialbiebel unter den menschen verteilt, die erst etwas kostet wenn man sie von ihm geschenkt bekommen hat (er ist echt ein netter kerl, aber ich hab sie ihm schon 3mal zurückgegeben, jetzt kennt er mich langsam), vorbei an den umfragen (wie alt ist der stadtkern?, wie oft kaufen sie ein? in welchen läden am meisten......am liebsten...........UND was stört sie an der fussgängerzone...der war fällig!! der kennt mich inzwischen auch!!).

am ziel angekommen informiert mich eine sms, dass der unterricht leider wegen "sorry ich muss noch so viel bügeln" entfällt womit ich mich schon wieder auf dem weg zu fehler nummer vier befinde......das ist das harte los eines lebens im "off beat".


tag drei der aufzeichnungen...


im prinzip wie die meisten tage keine besonderen vorkommnisse. man gibt sich den studien hin und dann kommt auch die zeit, da man sich um den broterwerb kümmern muss. da man als musiker mehrere möglichkeiten hat, aber nichts schöner ist als wenn einen die einnahmen direkt zu hause besuchen geben sich die meisten musiker dem weitergeben von wissen, auch genannt " host du heit a no an hauffn schüler?" hin. so auch ich.

eltern wünschen sich ja zumeist nachwuchs, der neben fussball, kampfsport, ministrieren, brainjogging, stöpselclub, burschenverein, junge union, etc. auch der künstlerischen muße frönt. dafür wird auch einiges an überzeugungskraft geleistet.  sehr gut, wenn vom gewünschten lehrer auch noch geeignete fotos (zum beispiel mit gitarre am rücken existieren). mein neuer schüler war ohne zweifel davon sofort überzeugt . kurz vor der ersten stunde wurde sich noch kurz vergewissert, dass er dies auch in echt macht und  das neue hobby war somit festgelegt. allerdings stellte es sich für mich als relativ schwer heraus zu  vermitteln, dass die showelemente erst teil einer späteren stunde sein werden. und irgendwie war der lehrer mit seinem etwas müden blick und einem instrument das in keinster weise dem bühnenequipment entsprach von der nähe nur noch halb so cool. nach der dritten aufforderung vom schüler jetzt endlich mal auf dem rücken zu spielen, jedoch ohne erfolg, machte sich bei ihm dann langsam unmut breit.
heute ist seine fünfte stunde und er präsentiert mir seine leersaitenaaufwärmübung zu meinem erstaunen auf seiner kindergitarre, in richtigem timing und in bester jimmy-hendrix-manier.
es ist noch nichtmal später nachmittag und es ist schon wieder mal klargestellt wer hier cool ist, oder was?

irgendwie dann doch von meinem didaktischen erfolg angespornt erscheine ich wie so oft als exot auf einer geburtstags party in etwas konservativer gesellschaft. das leben hat mich für solche gelegenheiten gelehrt, dringendst den begriff jazz ("ja wia dschäääs??") zu vermeiden und auch von stilistischen spezifikationen meiner musik abstand zu nehmen.
mein gegenüber für heute entpuppt sich als etwas hartnäckiger als seine artgenossen, wodurch folgender dialog zustande kommt:
"ja oiso wos machst jetz du genau?"
blablabla (siehe paulprem.de)
"ja und sunst?"
blablabla (siehe paulprem.de)
"ja oiso arbadst du so quasi nix mehr"
blablabla (siehe paulprem.de)
"ja schaug da eam o! der hats guad, der braucht nix mehr arbadn!"
in so einem hoffnungslosen fall versuche ich dann zu erklären, dass ich ja auch gewissermaßen etwas auf hochschulniveau studiere, was aber folgende reaktion auslöst:
"ah jetzad! ah so! ja und was wuist dann mal arbadn wennst mitm gschdudian fertig bist?"
das ende der feier ist noch nicht erreicht, da verlasse ich das geschehen unter totaler kapitulation. es zeichnet sich wieder mal ab: jazz macht einsam.


tag vier der aufzeichnungen

„a geile gidaa schpuist!“
ein unkontrollierter schlag gegen meine schulter zerstört den mühsam aufgebauten druck, der notwendig gewesen wäre den kleinen duftball in das miniaturtor im zenrum des urinals zu manövrieren. jeder der einmal ebenfalls in einem überfüllten pissoir mit schmerzender blase stand kann diese fatale niederlage nachvollziehen (frauen wahrscheinlich eher nicht).
notgedrungen verweile ich weiter in der position, schulter an schulter mit offensichtlich mühelos pullernden artgenossen.
„na ehrlich des sog i ned bloß weil i an mordsdrum rausch in da fotzn hob!“
ich bedanke mich höflichst für das kompliment und versuche mich erneut auf die fiktive elfmetersituation in schritthöhe zu konzentrieren.
„na woaßt scho, i kenn mi fei aus, i schpui schlogzeig! echt dufte was du so machst....des is a echte dschibsn (entspr. gibson) wos du do host, oder? i hätt erst gmoant a echte siebenender (entspr. fender), aber mei schpezi der is a giddarrist der kennt sie aus, der hat des glei gsegn!“
mein blaseninnendruck steigt weiter ins unermessliche und mein monologführender gesprächspartner, seines zeichens „bluas-fan“...
(„woaßt i hobs scho olle gsegn, woaßt scho an bebiking mit seine ganzn näga und nuttn auf da bühne, aba singa kenna die....bruuddall...de ham eine freid de ganzen näga....bruddall!“)
hat sichtlich auch zu kämpfen sein vorhaben erfolgreich zu beenden. ihm scheint es aber nicht so zu pressieren wie mir, warum nur? erschwehrend kommt ein weiterer nachbar, der es auch noch schafft freihändig zu schiffen und nebenher zu rauchen und zu telefonieren (das aber schon mit mäßiger artikulation) hinzu.
„i sog dir wos“ beginnt „the fan“ erneut „woast wos i dir sog? und i hob scho vui ghört! wenn i du war, dann dad i wos mit musik macha. des hot mei schpezi a gsogt und der kennt sie aus, der hot a moi gidaa gschpuid. woast ned blos wie jetzad...des is scho ganz nett...aber so richtig broffessionell, woaßt...i kenn de sandabörds (thunderbirds, an diesem abend mein aushilfsjob) scho seit fuffzehn johr und ich kann dir sagen: sei dankbar! sei dankbar, dass du mit so einer band....dass du da heute dabei sein kannst!“
seine schwere zunge bekommt einen hochdeutschen farbton, um die ernsthaftigkeit meiner unschätzbar glücklichen lage zu unterstreichen und zu verdeutlichen....ich versuche es kurz mit spülen, in der hoffnung, dass es bei einem von uns beiden den harnfluss beschleunigen möge....vergeblich.
„woast wos i moan, du kannst do leicht öfta dabei sei, aber des san hoid brofe! und da muaßt du hi und do seg i di scho!“
ich drehe mich um, seine blase ergießt sich in das fussballtor, elfmeter verwandelt! zwei gestalten die seit einiger zeit auf den 2 quadatmetern hinter uns auf ein freies urinal warteten tauschen einen fünf euro schein.
„sigstas i hobs dir gsagt der musiker der geht zerscht. gegan franz sei blodan hot der haring koa schanz.......übrigens, du, geile gidaa fei!
 


tag fünf der aufzeichnungen

hin und wieder kommt man um eine kleine künstlerische schaffenspause nicht herum. da ich beim fahrradfahren zumeist mit einem technischen problem irgendwo auf halber  strecke zurückbleibe habe ich mich auf spaziergänge ins grüne beschränkt. nirgendwo sonst kann man so seine kräfte in abgeschiedenheit sammeln. sozusagen eine art der meditation...

...wäre da nicht generalfeldmarschall erwin rommel, auch genannt  „Wüstenfuchs“ aufgrund seines afrika-einsatzes .
im sonnenschein bei tauwetter auf einer bank sitzend stürmt er die premsche gedankenfestung von unten zwischen überschlagenen beinen und achselhöhle. mit unbeschreiblicher geschwindigkeit, die ruhe und den hinterhalt nutzend stemmt er sich mit wenigen sprüngen und klimmzugähnlichen bewegungen auf meine neue jacke und fährt mir mit nasser rosa zunge einmal quer übers gesicht. „rooommmell, ja zefix rooommmell gehst du her ja sogamoi, hehe! ja mei bitte entschuldigens so isser halt der rommel gell. er ist halt ein temperamentvolles blut mit stammbaum wissens, der feldmarschall johannes erwin eugen rommel, ja so heist er. ein blaublüter. reinrassiger rauhaar aber halt noch so verspielt, gellns...ja roooommmell ja gehst du her lass doch den mann jetz amal in frieden, ja sagamal herrschaftzeiten gehst jetz her rommel!“ der blitzangriff par excellence lässt dem opfer keine chance zur verteidigung, doch
der freundliche herr im rentenalter klärt mich über die intelligenz des reinrassigen rauhaars auf und seine ausserordentlichen jagdfähigkeiten. „aber is ja noch so jung da wollns halt nur spielen, ja rommel ja sagamal schau, dassd rauskommst da, schmeisst der die mülltüten um, ja sagamal spinnt er da rommel sagamal. mei schaun sie aber aus, ja stermsvoll dreck, ja der rommel gell, der is ja so verspielt.“ ein exkurs über den klimawandel und das frühe tauwetter sollen mich über die sauerei hinwegtrösten, „und ausserdem geht des nimmer weiter so mit dem klima. de werden sich noch alle anschauen. aber der rommel...schauns ihn an, der spürt des scho. des is der reinrassige rauhar." in der tat muss ich zustimmen, dass dieses prachtexemplar, gerade im kampf mit einer bananenschale einen sehr intelligenten eindruck macht. ganz klar merkt er, dass es zu dieser jahreszeit normalerweise keine bananen gibt und kombiniert sofort. "rooommel, ja jetz frisst der des tempodaschenduach....."
ich mache mich auf den weg zurück aus der idylle in den alltag und höre das gefolge vom wüstenfuchs noch lange durch den ruhigen wald rufen....“mei gute frau, wissens der will ja nur spielen und das mir jetz scho so einen sauerei auf die wege ham, das liegt ja nur an der klima.....rommel gehst jetz her sagamal!“ ja in solchen momenten denke ich mir oft, wie schade dass es beim klimabedingten artensterben immer die falschen erwischt."


© 2008 Paul Prem