Zeitungsartikel Münchner Merkur, 10.09.2008
Ein Musiker mit Leib und Seele
Musik
ist brotlose Kunst ein Vorurteil, das der Gitarrist Paul Prem aus
Dachau eindrucksvoll widerlegt. Als Lehrer und Mitgründer der Jamlabor
Musikschule in Schwabhausen und mit der Band Gin Chillers hat sich Prem
über die Jahre nicht nur in Musikerkreisen einen Namen gemacht.
VON CHRISTOPH SEIDL
Dachau
– Den Titel „authentischer Luftgitarrenvirtuose“ hat Paul Prem auf
jeden Fall sicher. Immer wieder greift der Gitarrist aus Dachau während
des Gesprächs im Café „Original“ zur unsichtbaren Gitarre. „Im Moment
genieße ich es einfach wieder mehr Zeit zu haben. Ich sitz auf der
Terrasse und mach meine Technikübungen“, erzählt der 28-Jährige und
lässt dabei seine Finger zur Veranschaulichung über die imaginären
Saiten fliegen. Ein Musiker mit Leib und Seele, der selbst dann zum
Instrument greift, wenn gerade keins in der Nähe ist. Auf dem Fahrrad
erscheint Prem im T-Shirt vor dem Café. Sommerferien bedeuten nicht nur
sechs Wochen Erholung für Schüler, auch ein Gitarrenlehrer sehnt die
unterrichtsfreien Monate herbei: „Die letzte Zeit war echt stressig. Ab
März war von der Uni aus eine Prüfung nach der anderen. Jetzt hab ich
endlich Zeit, das zu machen, was ich will.“ Freizeit – das heißt aus der
Sicht von Paul Prem stundenlang Tonleitern über alle Lagen der Gitarre
zu spielen, im Wechsel mit Rhythmusübungen. Prem studiert Jazz Gitarre
am Richard Strauss Konservatorium, setzt sich aber ab und an auch fürs
Studium ans Piano. Seine Fähigkeiten am Klavier bezeichnet er lachend
als „erweiterungsfähig“. Während viele Kinder ihre ersten musikalischen
Erfahrungen an der Blockflöte machen, gab es für Prem von An- fang an
nur ein Instrument: „Die erste Gitarre hab ich mit fünf bekommen. Ich
wollte unbedingt ein Lied begleiten und meine Mutter hat es mir dann auf
der Gitarre gezeigt.“ Im Alter von zehn Jahren erhielt er dann
richtigen Gitarrenunterricht. Vom guten alten Rock & Roll bis hin
zur Klassik, zum Funk und zum Jazz; Prems musikalische Vorlieben sind
ebenso vielseitig wie sein Werdegang: Mit 16 spielte er bereits in
eigenen Bands, zum Beispiel in der Jazzband des Dachauer Ignaz-Taschner-
Gymnasiums. Weitere Live- Erfahrungen machte er mit den „Thunderbirds“
und mit den „Black Slacks“, mit denen er regelmäßig Konzerte in
Deutschland und Österreich spielte. Zudem schlug er bei Tommy Reeve in
die Gitarrensaiten und war mit dem Dan Markx Orchester in der
Abschlussfolge der Telenovela „Verliebt in Berlin“ zu sehen. Einen Namen
gemacht hat sich Paul Prem in Dachau aber vor allem als Gitarrist und
Gründer der Gin Chillers. Fünf Jahre lang begeisterte die Band ihr
Publikum in wechselnder Besetzung mit arrangierten bekannten Liedern und
eigenen Stücken. Ein letztes Mal präsentierte die Band ihren typischen
Souljazz im Juni auf der langen Tafel in Dachau. Die Auflösung der Band
„war nicht leicht“, erzählt Prem: „Am Anfang haben wir bei den Gin
Chillers nur Sachen gespielt, die jeder gerne spielen wollte. Gegen Ende
ist das schwieriger geworden. Es war letztendlich nicht mehr das, was
es mal war.“ Der Musiker sieht die Trennung aber auch als Neubeginn:
„Wir haben jetzt wieder mehr Auftrieb und Freiheit für neue Projekte.“
Wir – das ist neben Prem das groovende Rückgrat der Gin Chillers: Benni
Pfeifer am Schlagzeug und Christian Klos am Bass. Das, was die drei
Musiker vorher versucht haben, in einer einzigen Band unter ein Dach zu
bekommen, leben sie jetzt in vier verschiedenen Projekten aus. „Wir
haben unsere musikalischen Interessen gesplittet. Wenn das so
funktioniert, wie es geplant ist, ist das eine Befreiung für jeden“, so
Prem. Im Gespräch über die neue Band Mojo Fever gerät der Gitarrist
regelrecht ins
Schwärmen: die „Traumbe- setzung“, ausgestattet mit
Bläsersatz und Sandra Kotzlik am Gesang garantiert authentischen Funk
und Soul für jede Party. Das Trio „Mojo Se-
lection“ mit Pfeifer und Klos ist laut Prem dagegen „die große Band im kleinen, mit
der
wir unsere Liebe zum Jazz ausdrücken wollen.“ Mit dem dritten Projekt
Captain Future arrangieren die drei Musiker die Filmmusik der Manga
Kultserie „Captain Future“ als Ambient Lounge Sound. Zudem stimmen Prem,
Pfeifer und Klos auch ruhige Töne an: mit akustischer Gitarre,
Kontrabass und Percussion spielen sie Kaffeehausmusik für
Veranstaltungen im kleineren Rahmen, einen Namen hat die Formation noch
nicht. Wie bekommt man Studium, Bands, Gitarrenunterricht, Gitarre üben
und Privatleben eigentlich unter einen Hut? Paul nippt am Cappuccino,
denkt kurz nach und antwortet: „Ich glaube, ich hab ein recht gutes
Zeitmanagement. Wenn man von der Musik leben will, muss man sich immer
selber in den
Arsch treten. Ich kann zum Beispiel nicht jeden Tag erst um 12 Uhr aufstehen.“
Kaum vorzustellen, dass Prem einmal im Anzug hinter einem Bankschalter stand.
Die
Ausbildung bei der Sparkasse hat er jedoch der Kunst zu Liebe an den
Nagel gehängt, um sich ganz auf die Musik zu konzentrieren. Die
Erfahrung möchte er trotzdem nicht missen: „Ich glaube, als Musiker muss
man sich auch verkaufen können. Der Vorteil der Bankausbildung war,
dass ich gesehen hab, wie viel das Leben kostet.“ Sein tägliches Brot
verdient er jetzt mit seinen Liveauftritten und in der Jamlabor
Musikschule. Als Gitarrenlehrer ist er musikalisch für alles offen: „Ich
bin kein Charts-Hörer, deshalb bin ich der Jugend oft hinterher. Wenn
jemand Lieder von „Tokio Hotel“ spielen will und dann übt, dann passt
das schon.“ Prem hat aber auch musikalische Tabuzonen, die er nicht
betritt: „Ein Schüler wollte mal den Holzmichl lernen, da konnte ich ihn
grad noch von abhalten. So leicht ist des Stück aber gar nicht, das hat
einen wahnsinnig verreckten Taktwechsel.“ Wer Paul Prem demnächst live
erleben will, muss einen weiten Weg zurücklegen. In Kalifornien kann der
Gitarrist seine Gitarrenkünste drei Wochen lang nur beschränkt zum
Besten geben: In einem Bierzelt spielt er deutsches Liedgut, darunter
pro Tag mindestens sieben Mal den Ententanz. „Als ich bei dem Job
zugesagt habe, war mir das Ausmaß der Katastrophe noch nicht bekannt
gewesen. Aber ich lass mich mal überraschen.“ Paul Prem: demnächst also
nicht nur begnadeter Lokalmusiker aus Dachau, sondern auch deutscher
Kulturbotschafter und Missionar in Übersee.